Clemens J. Setz ABSAGE, dafür liest: Jackie Thomae / Katerina Poladjan / Dzevad Karahasan
33. Literaturgespräch: Kurzlesungen mit Gespräch
Leider muss Clemens J. Setz seinen Auftritt am Festivalsamstag um 15 Uhr absagen. Wir freuen uns sehr, dass Jackie Thomae, die eigentlich im Frühjahr 2020 ins Literaturhaus kommen wollte, kurzfristig einspringen kann. Vorstellen wird sie ihren Roman „Brüder“, den die diesjährige Jury des Deutschen Buchpreises auf ihre Shortlist setzte.
Jackie Thomae: Brüder
Moderation: Thomas Geiger
Mick, ein charmanter Hasardeur, lebt ein Leben auf dem Beifahrersitz, frei von Verbindlichkeiten. Und er hat Glück – bis ihn die Frau verlässt, die er jahrelang betrogen hat. Gabriel, der seine Eltern nie gekannt hat, ist frei, aus sich zu machen, was er will: einen erfolgreichen Architekten, einen eingefleischten Londoner, einen Familienvater. Doch dann verliert er in einer banalen Situation die Nerven und steht plötzlich als Aggressor da – ein prominenter Mann, der tief fällt.
„Brüder“ (Hanser Berlin, 2019) erzählt von zwei deutschen Männern, geboren im gleichen Jahr, Kinder desselben Vaters, der ihnen nur seine dunkle Haut hinterlassen hat. Die Fragen, die sich ihnen stellen, sind dieselben. Ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein.
Katerina Poladjan: Hier sind Löwen
Moderation: Annette Pehnt
„Abovyan. Petrosian. Mazavian. Mein Nachname war plötzlich in phonetischer Gesellschaft. Bisher hatte ich ihn getragen wie ein unpassendes Kleidungsstück, wie einen verbeulten Hut, den ich auch zum Essen nicht abnahm.“ Wie die 1971 in Moskau geborene Autorin Katerina Poladjan, die über Stationen in Rom und Wien nach Deutschland kam, hat ihre Erzählerin Helen armenische Wurzeln. Ihnen folgt die Buchrestauratorin im Roman nach Jerewan, um dort anhand einer Familienbibel aus dem 18. Jahrhundert ihr Handwerk zu verfeinern – und die armenische Sprache zu lernen.
„Es gibt Abertausende Schichten, und ich kratze an der Oberfläche herum, schabe Schmutz, löse Verklebungen.“ Helen stößt über Notizen in der alten Handschrift immer weiter in die Geschichte des Landes ihrer Vorfahren mit seinem nationalen Trauma vor, dem Völkermord am Ende des Osmanischen Reiches. Sie entdeckt die Geschichte der beiden Kinder Anahid und Hrant, die bei den Pogromen ihre Familie verloren haben und mit dem Evangeliar fliehen. „Hic sunt leones“ stand in alten Karten über unerkundeten Gebieten. „Hier sind Löwen“ (S. Fischer, 2019) ist ein raffinierter Roman, der sich „mit tastender Neugier zwischen den Kulturen, Religionen und Zeitaltern“ bewegt, schreibt Paul Jandl (NZZ).
Dzevad Karahasan: Ein Haus für die Müden
Moderation: Thomas Geiger
„Dieser Autor wurzelt in antiken, islamischen und christlichen Traditionen gleichermaßen (…) und plädiert unbeirrbar für Menschlichkeit und Toleranz. Karahasan bringt die unmittelbare Liebe zum Dasein und das Bewusstsein für die Katastrophe der Geschichte auf eine einzigartige Weise zusammen“, so die Jury des diesjährigen Jeanette Schocken Preises – eine von zahlreichen Auszeichnungen des in Graz und Sarajevo lebenden Erzählers, Dramatikers und Essayisten. Bereits 2004 erhielt Dzevad Karahasan den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.
Von Liebe und Verlust, Fortschritt und Erinnerung handeln die fünf Erzählungen in „Ein Haus für die Müden“ (Suhrkamp, 2019, aus dem Bosnischen von Katharina Wolf-Grießhaber), mit denen der 1953 im jugoslawischen Duvno geborene Schriftsteller aus dem fernen Epochenschauplatz seines gefeierten Opus Magnum „Der Trost des Nachthimmels“ ins 20. Jahrhundert zurückkehrt. Der Kommunismus erreicht die bosnische Provinz. In den kleinen Städten, umgeben von majestätischen Landschaften, spüren Karahasans Helden, dass eine Zeit anbricht, in der sie keinen Platz mehr haben. Sie verwehren sich – radikale Alte, trotzige Weltverweigerer, die auf dem Recht bestehen, zu träumen, zu trauern oder einfach müde zu sein.
Foto Dzevad Karahasan: © Marc Doradzillo
Datum: 09.11.2019, 15-18 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Eintritt: 5 Euro (für alle drei Lesungen)
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