Jan Wagner / María Cecilia Barbetta / Brigitta Falkner – Kurzlesungen mit Gespräch

Jan Wagner: Die Live Butterfly Show
Moderation: Katharina Knüppel

Die Schmetterlinge, die Jan Wagner für „Die Live Butterfly Show“ (Hanser Berlin, 2018) aus dem Netz holt, sind vielgestaltig. Neben „atlasspinner, kardinal und hektorbläuling“ finden sich auch Münchner Krähen, ein Marder im Blutrausch, ein Biker aus Montana. Entscheidend ist: Sie alle fliegen. Welchem Gegenstand, welchem Wesen sich Wagner in seinem neuen Band auch nähert, die Gesetze der Schwerkraft schwinden. Und selbst die vielfach ummauerte Verbotene Stadt gerät ins Schweben.

„Spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung“ hat die Akademie für Sprache und Dichtung dem 1971 geborenen Lyriker anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 2017 bescheinigt. Für eine Verskunst, die mit wacher Aufmerksamkeit für die Phänomene der Lebens- wie der Zeitgeschichte unsere Wahrnehmung der Welt schärft. Wagners Gedichte aus Bänden wie „Probebohrung im Himmel“ (2001), „Achtzehn Pasteten“ (2007) und „Regentonnenvariationen“ (2014) sind in rund 30 Sprachen übersetzt. Er selbst überträgt die Zeilen englischsprachiger Kollegen auf artistische Weise ins Deutsche, wie kürzlich Matthew Sweeneys „Hund und Mond“ (2017). Nicht zuletzt hebt er als Herausgeber lyrische Schätze: Mit der Minnesang-Anthologie „Unmögliche Liebe“ (2017) werden achthundert Jahre alte Verse ganz und gar gegenwärtig.

María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten
Moderation: Martin Bruch

Schon im Entstehen errang der inzwischen für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman „Nachtleuchten“ (S. Fischer, 2018) große Aufmerksamkeit – und seine Autorin den Alfred-Döblin-Preis 2017. Das Manuskript verschränke „auf so kunstvolle wie leichthändige Weise die Geschichten kleiner Leute in einem Vorort von Buenos Aires mit der großen Geschichte am Vorabend der argentinischen Militärdiktatur“, befand die Jury des Wettlesens. Spiritismus treffe auf Politik, tote Wellensittiche auf blutende Marienstatuen und weinende Zeitungshändler. Ein so furioses wie kühnes Unterfangen, dass selbst die Mumien lebendig erscheinen.
Ein Unterfangen, das zu einem großen, in der lateinamerikanischen Tradition des fantastischen Erzählens stehenden Werk gewachsen ist. María Cecilia Barbetta erzählt poetisch und sinnlich vom Viertel Ballester und seinen Bewohnern: von der Schülerin Teresa, von Celio, dem Friseur in der „Ewigen Schönheit“, von den Mechanikern der Autowerkstatt „Autopia“. Von der Liebe zum Leben in Zeiten des Umbruchs. Zehn Jahre nach ihrem preisgekrönten, aus der Literatur unserer Tage weit herausragenden Debüt „Änderungsschneiderei Los Milagros“ legt die in Argentinien geborene und seit langem im Berlin lebende Autorin nun ihren zweiten Roman vor.

Brigitta Falkner: Strategien der Wirtsfindung
Moderation: Annette Pehnt

Wer Brigitta Falkners „Strategien der Wirtsfindung“ (Matthes & Seitz, 2017) liest, sieht die Welt mit anderen Augen: In zwölf Kapiteln nimmt die Wiener Künstlerin in Bild und Text das Leben von Parasiten unter die Lupe, folgt ihnen in Ritzen, durch den Teppichflor, zwischen Buchdeckel und – unter die Haut. Was sie dort beobachtet, überträgt sie mit Witz und Hintersinn in Gedichtzeilen: „Wie der Parasit / aus einem Häufchen, / dem Wirtstier / injizierter Zellen reifend, / sein Unwesen, / sprich: Wurzeln treibt, / sich neu erschaffend / einschreibt / in den Wirtsleib, / erregt Bewunderung, / in die sich Abscheu mischt.“
Unbehaglich und gefährlich wie die Kunst selbst erscheinen diese Organismen. In Form von großformatigen Zeichnungen macht Falkner neben der raffinierten Grausamkeit auch die Schönheit der Strukturen sichtbar, die Ordnung im nur scheinbar chaotischen Kampf ums Überleben. Als vielschichtiges Buch mit dem Preis der Hotlist 2017 ausgezeichnet, als gleichnamiger Poesiefilm mit dem Filmpreis Textfilm made in Austria 2014, löst „Strategien der Wirtsfindung“ die Grenzen zwischen Gedichtband und Graphic Novel, zwischen Kunst und Wissenschaft auf – und verbindet sie zu einem „Kompendium der Klugheit“ (NZZ).

Foto María Cecilia Barbetta: © Marcus Höhn

Datum: 10.11.2018, 10-13 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Eintritt: 5 Euro (für alle drei Lesungen)