Olga Martynova / Ozan Zakariya Keskinkiliç / Daniela Dröscher
39. Freiburger Literaturgespräch: Drei Lesungen mit Gespräch
Olga Martynova: Such nach dem Namen des Windes
Moderation: Beate Tröger
Wie lässt sich die Gegenwart aushalten, wenn von einem geliebten Menschen nichts als Erinnerungen bleiben? Wenn die eigene Heimat unbetretbar wird und sich die Muttersprache dem Gebrauch entzieht?
Nach dem Tod ihres Mannes findet die russische Schriftstellerin Olga Martynova ihre sprachliche Heimat im Deutschen. Mit dem Gedichtband „Such nach dem Namen des Windes“ (S. Fischer, 2024) lotet sie die Möglichkeiten aus, den Verlust eines geliebten Menschen poetisch zu vergegenwärtigen. Unsentimental, präzise und mit feiner Ironie reiht sich die Dichterin mit ihren lyrischen Totengesprächen in die Tradition der Zurückgebliebenen ein. Sie zeige, befindet die Jury des Peter-Huchel-Preises zu Martynovas diesjähriger Auszeichnung, „die Möglichkeiten der Poesie, mit Schmerz umzugehen und […] einen Halt zu bieten, der flüchtig ist“. Erinnernd und beobachtend, kunstvoll gewoben mit kompositorischen Überlagerungen und Verweisen, „so tastet sich Martynovas eindrückliche Lyrik über den Rand des Lebendigen hinaus.“ (Christian Metz, FAZ)
Ozan Zakariya Keskinkiliç: Hundesohn
Moderation: Thomas Geiger
Dies ist eine Liebesgeschichte. Sie spielt im Juni, im Juli, im August in Adana, dreitausend Kilometer weit weg von Berlin, wo Zeko lebt. Hier trifft er Männer in Parks und Cafés, auf Dating-Apps und vor der Moschee. Doch jedes Mal reißen ihn die Gedanken zurück zu Hassan, dem Nachbarsjungen in Adana, den Dede, sein Großvater, immer nur „Hundesohn“ nennt. Zeko kennt das laute Viertel, den Staub in den Gassen nur aus den Sommerferien. Dann stirbt Dede an einem Herzinfarkt. Aber Zeko will nicht vergessen: nicht den Großvater, der alten Männern die Sorgen aus dem Bart schnitt und auf Arabisch sang, nicht die religiösen Rituale und den Geschmack von Bamya. Und vor allem nicht Hassan.
„Das ist der zärtlichste und klügste Roman seit langem über Liebe, Freundschaft, Begehren – man wünscht sich, dieses Erzählen möge nie enden“, schreibt Monika Hefter über das Debüt (Suhrkamp, 2025) des Autors und Politikwissenschaftlers Ozan Zakariya Keskinkiliç. Radikal und poetisch erzählt er von der Euphorie und Verletzlichkeit, der Angst und dem Glück, wenn man liebt. Und vermisst dabei unsere zerrissene Gegenwart, über alle Grenzen von Ländern, Sprache und Körper hinweg.
Daniela Dröscher: Junge Frau mit Katze
Moderation: Beate Tröger
Ela steht kurz vor dem Promotionsabschluss, als sie einen Zusammenbruch erleidet. Dabei könnte es nach dem kräftezehrenden Studium endlich bergauf gehen: Die ersehnte Selbstständigkeit ist in greifbarer Nähe, und ein unerwartetes Stipendium verspricht Zeit und Geld. Doch die Vergangenheit hat ihre Spuren hinterlassen: Aus der Jugend im Schatten einer allgegenwärtigen Mutter klingen Selbstzweifel nach. Während Ela unbewusst mit der Frage ringt, ob sie ihren Platz in der akademischen Welt wirklich verdient hat, rebelliert ihr Körper: der Hals, das Herz, die Haut – Ela steht in Flammen und gerät in immer größere Panik.
So wie Daniela Dröschers großer Romanerfolg „Lügen über meine Mutter“ ist auch Elas späte Selbstfindung und Selbstermächtigung meisterhaft autofiktional konstruiert. „Junge Frau mit Katze“ (Kiepenheuer & Witsch, 2025) ist ein schriftlicher Rettungsversuch – psychologisch mitreißend und hinreißend komisch. „Daniela Dröscher in einem Atemzug mit Annie Ernaux zu nennen, ist unbedingt angemessen.“ (Wiebke Porombka, DLF)
Fotos v.l.n.r.: © Gaëlle Deleflie, Max Zerrahn, Heike Steinweg
Förderer: Kulturamt der Stadt Freiburg, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau, Guzzoni-Federer-Stiftung, Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und Lyrikempfehlungen für Kinder, freundlich unterstützt von der Buchhandlung jos fritz und dem Park Hotel Post
Kooperationspartner: Zwetajewa-Zentrum an der Universität Freiburg
Datum: 8.11.2025, 15–18 Uhr
Ort: Literaturhaus, Bertoldstraße 17
Eintritt: 11/7 Euro
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